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Ansprache von Botschafter Peter Fischer zum Tag der Deutschen Einheit 2022

Ansprache von Botschafter Peter Fischer zum Tag der Deutschen Einheit 2022

Ansprache von Botschafter Peter Fischer zum Tag der Deutschen Einheit 2022, © Deutsche Botschaft Tiflis

03.10.2022 - Artikel

Sehr geehrter Herr Premieminister Irakli Garibashvili,

Sehr geehrte Minister und Abgeordnete,

Exzellenzen, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Meine Damen und Herren,

Liebe Landsleute,

Zunächst möchte ich allen Deutschen im Saal einen frohen Tag der Deutschen Einheit wünschen.

Meine Frau Maria und ich, sowie das ganze Team der deutschen Botschaft freuen uns, Sie heute Abend begrüßen zu dürfen.

I started by wishing my compratiots a happy Day of German Unity, and saying that my wife Maria and I as well as the entire embassy team are delighted to welcome you this evening. And now I will continue in German, with translation into Georgian, but at the end I’ll give a brief summary in English for our international friends.

Der 3. Oktober ist ein glücklicher Tag für uns Deutsche und ein glücklicher Tag in der Geschichte – denn er zeigt, dass in der Geschichte etwas Gutes passieren kann. Wie der legendäre Menschenrechtsverteidiger Dr. Martin Luther King Jr. gesagt hat: „Der Bogen des moralischen Universums ist lang, aber er neigt sich in Richtung Gerechtigkeit“.

Der Tag der Deutschen Einheit kam nach den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges und des Holocausts, deren Deutschland sich schuldig gemacht hatte. Er kam nach den Zerstörungen des Krieges, der Teilung und der Besatzung unseres Landes. Er kam nach 42 Jahren Aufbau einer friedlichen Demokratie im Westen Deutschlands – und – ganz entscheidend - nachdem die Menschen im Osten des Landes in einer friedlichen Revolution die kommunistische Diktatur abgeschüttelt haben. Übrigens waren Maria und ich beim Fall der Berliner Mauer dabei – in meiner Heimatstadt.

An diesem Tag sind wir Deutschen zuallererst dankbar. Wir sind dankbar allen, die gegen die Nazis gekämpft und uns von ihrem Joch befreit haben. Wir sind dankbar auch allen, die uns eine zweite Chance gegeben und geholfen haben. Es waren viele, aber hervorheben muss man USA, Frankreich, UK und ja, auch die Sowjet Union hat im Kampf gegen Hitler-Deutschland enorme Opfer gebracht – darunter hundertausende Georgier. Wir verneigen uns vor ihrem Andenken.

Und wir sind dankbar den Gründervätern der Europäischen Union, die uns ermöglicht haben wieder in den Kreis der zivilisierten Nationen einzutreten. Europa ist ein Friedensprojekt – und ein Projekt der Freiheit, der Demokratie und der menschlichen Entwicklung. Der große Europäer und französische Außenminister Robert Schumann hat in seiner Erklärung vom 9. Mai 1950 gesagt: „Europa wird nicht nach einem fertigen Gesamtplan entstehen, sondern durch konkrete Entscheidungen, die zunächst einmal eine faktische Solidarität zwischen den einzelnen Völkern schaffen.“

Und so ist es gekommen. Heute ist die EU der größte Erfolg. Persönlich bin ich so froh, Bürger der EU zu sein – einem Raum einzigartiger kultureller Vielfalt, des Wohlstandes, in dem die Bürger freiheitliche Rechte und Sicherheit genießen.

Als der Eiserne Vorhang fiel und die Deutsche Einheit kam, dachten wir alle, dass sich Stabilität, Selbstbestimmung und Frieden wie von selbst ausbreiten werden. Spätestens seit dem 24.Februar, an dem Russland seinen brutalen Aggressionskrieg gegen die Ukraine begonnen hat, haben wir diese Illusion verloren. Bundeskanzler Scholz hat von einer Zeitenwende gesprochen.

Was lernen wir daraus? Erstens werden wir die Ukraine in der Verteidigung ihrer territorialen Integrität und Souveränität unterstützen – auch mit Waffen und so lange es nötig ist. Zweitens werden wir unsere Resilienz erhöhen gegen Russland, aber auch gegen andere Staaten, die die freie Selbstbestimmung und die Grenzen anderer Länder missachten. Wir wollen eine regelbasierte Weltordnung, die Herrschaft des Rechts, nicht die Herrschaft der Macht und der Gewalt.

In einer Zeit, in der die regelbasierte Weltordnung herausgefordert wird, müssen alle, die sie wollen, noch mehr zusammenhalten als zuvor. Das gilt auch für Deutschland und Georgien, für die EU und Georgien. Um mit der Präsidentin der Europäischen Kommission zu sprechen: Sie sind Teil unserer Familie, ihre Zukunft ist in unserer Union und unsere Union ist ohne sie nicht vollständig.

Die Entscheidung des Europäischen Rats, Georgien die europäische Perspektive zu geben, ist eine ganz bedeutende, große und historische Sache. Fragen Sie uns Deutsche: Die EU ist das beste, was einem passieren kann.

Der Weg nach Europa ist klar. Es gibt daran nichts Mysteriöses oder Unbekanntes. Der Ball liegt nun im Feld Georgiens. Aber anders als im Sport, helfen wir Georgien, den Ball erfolgreich zu spielen.

Seit meiner Ankunft bin ich tief beeindruckt. Nicht nur von der Schönheit Georgiens und der Freundlichkeit der Menschen. Ich bin besonders beeindruckt von der Tiefe und Dichte unserer Partnerschaft. In allen Bereichen – Politik, Wirtschaft, Kultur – haben wir bedeutende bilaterale Projekte. Sie alle stehen zur Verfügung, um den Weg nach Europa gemeinsam zu gehen.

Den Weg nach Europa gemeinsam zu gehen: Das ist meine Aufgabe als Botschafter. Denken wir an Robert Schuhmanns weise Worte: Der Weg wird aus praktischen Entscheidungen bestehen, aus vielen positiven, konkreten Projekten, auch im politischen Bereich, aber noch mehr in der Wirtschaft, bei Energie, Umwelt und Klimaschutz, für berufliche Bildung, Jobs und Einkommen, in der Wissenschaft und Kultur, besonders, dass unsere Jugendlichen zusammenkommen und gemeinsam etwas aufbauen. So bauen wir Europa.

Wenn die EU die höchste Priorität für Georgien ist, dann nutzen Sie bitte diesen historischen Moment. Um eine hohe Priorität zu erreichen, muss man im Leben wie in der Politik alle Kräfte bündeln und sich auf das Ziel konzentrieren, vielleicht auch unter Zurückstellung anderer Anliegen, die ablenken.

Wir stehen dabei in Freundschaft und Partnerschaft an Ihrer Seite.

Vorhin habe ich Dr. Martin Luther King zitiert – aber unvollständig. Er hat seinem berühmten Satz über den Bogen, der sich in Richtung Gerechtigkeit neigt, nämlich die Worte vorangestellt: „We shall overcome“. Wir werden überwinden, oder einfacher: Wir werden gewinnen.

So sehe ich die gemeinsame Zukunft unserer freien Demokratien.

Vielen Dank.

So, the briefest of summaries in English. The Day of German Unity is a day of joy and hope. Because it shows that history can move in a positive direction. I quoted Dr. MLK Jr who said: the arc of the moral universe is long but it bends towards justice. On the Day of German Unity we Germans are above all grateful. Grateful to all who fought Nazi Germany and liberated us from fascism – including many hundreds of thousands of Georgians. We are grateful also to the founding fathers of the European Union, who devised a unique project of peace, liberty and human development, which allowed us back into the circle of civilized nations.

The decision of the EU to offer Georgia the perspective of membership is a significant historical moment – with the potential of a great historical outcome.

At a time when the rules-based international order, freedom and democracy, are being challenged, most brutally by Russia but also by others, those who prefer the rule of law to the rule of force must stick together. That is true for Georgia and Germany, Georgia and the EU.

And I completed the quote of Dr. MLK Jr, because he prefaced it with the words „We shall overcome“. We shall overcome: That’s how I see the future of our free democracies.

Thank you.

It is now my honor to invite the Prime Minister of Georgia, Mr. Irakli Garibashvili, to address us.

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